Per Fahrrad und Bahn
quer durch Deutschland


Fahrrad fahren ist gesund...Die letzten Arbeiten waren geschrieben, Zeugnisse verteilt (Carsten S's waren meistens mal wieder besser ausgefallen - na klar!), die großen Ferien standen vor der Haustür. Urlaub, endlich. Die Zeit mit Sankt-Peter-Ording bei Carsten und Brilon bei mir neigten sich dem Ende entgegen. Also hieß es endlich einmal gemeinsame Urlaubspläne zu schmieden.

Und was lag näher, es gab auch nichts günstigeres, als das eigene Fahrrad als Urlaubstransportmittel einzuplanen. Wochenland wurde geplant und wieder verworfen. Dann stand die Tour klitzeklein geplant fest: es sollte zum Bodensee gehen. Alle Mittelgebirge, die so am Wegesrand lagen und wohl noch liegen, sollten natürlich durchquert werden. Wir würden es schon schaffen. Kurz vorweggenommen: trotz weiterer Touren haben wir den Bodensee nie erreicht und ich habe ihn bis heute nicht gesehen. Ohne Erfahrungen mit solch großen Radtouren ging es los. Eine Dreigangschaltung mußte genügen, dafür fiel das Gepäck umso üppiger aus. Wir wußten schließlich nicht genau, was man während einer solchen Tour so braucht.

Der Bodensee Für eine langsame Eingewöhnung blieb keine Zeit, schlappe 130 Km waren für den ersten Tag eingeplant. Geschafft. So weit - so gut. Aber es erwartete uns ein schön gemachtes Bett bei Verwandten. Um die Verpflegung mussten wir uns zunächst keine Gedanken machen. Schon mehr um den Zustand unserer eigenen Hinterteile. Spätestens beim Aufsteigen am nächsten Morgen merkten wir, dass der vorangegangene Tag nicht so ganz spurlos an uns vorüber gegangen war. Aber: weitere 120 Km wollten bewältigt werden. Die ersten Schwächeperioden mußten durchstanden werden und abends ergatterten wir noch mit Mühe und Not ein Bett in einer Jugendherberge. Um die Verpflegung brauchten wir uns wiederum nicht zu kümmern. Vollkommen erschöpft schliefen wir bereits nach 5 Minuten, verschwitzt und dreckig wie wir waren, auf unseren ungemachten Betten. Aus geplanten 5 Minuten kurzer Verschnaufpause wurde ein erholsamer Schlaf bis 3 Uhr Nachts. Naja, Duschen lohnte sich dann auch nicht mehr.

Noch einige Tiefs mußten wir auf der Tour durchschreiten. Vor allem die Lage der Jugendherbergen machte uns immer mehr zu schaffen. Nach langer Fahrt freuten wir uns nur noch auf eine erfrischende Dusche und ein frisches Bett. In jeder Stadt hieß daher die erste Frage: Wo befindet sich denn hier die Jugendherberge? Sie lag, eigentlich immer, auf der höchsten Erhebung der Umgebung des Ortes. So hieß es meist: Absteigen und das Fahrrad dem ersehnten Ziel entgegenschieben. Positiv dabei nur die Erwartung einer rasenden Abfahrt am Beginn des nächsten Tages.

Carsten vorm Karlsruher Schloß Weitere Verwandte konnten wir auf unserer Fahrt besuchen (nette Filme bekamen wir so auch zu Gesicht ) und so unseren Proviant kostengünstig auffüllen. Bestand dieser doch aus Sparsamkeitsgründen zumeist aus den billigsten und kalorienreichsten Produkten einer deutschlandweit verbreiteten Lebensmittelkette mit 4 Buchstaben. "A . . I". Schokoladen zu 0.59 DM, Würstchen zu 1.29 DM und 10 Brötchen zu 0.99 DM. Auch normales Leitungswasser verfeinert mit einer guten Vitamintablette, 20 Stück zu 1.49 DM belastete den Etat nicht allzu sehr. Jeden Abend wurden alle Ausgaben penibel in das Haushaltsbuch eingetragen und wir waren stolz, wenn der Tagessatz wieder um 5 oder auch einmal um 8 DM unterschritten wurde.

Auch die Kosten für die Jugendherberge hätten wir uns manchmal bald erspart. So auf einem Stück des Weges durch Belgien. Die Beine wollten ganz einfach nicht mehr und wir meinten schon, der Straßengraben könnte doch auch ganz bequem sein ... Irgendwie bauten wir uns immer wieder gegenseitig auf und der Blick auf das Rheindelta lies uns viele Qualen vergessen. Aber vor allem natürlich die schöne Rheinebene ohne Hügel, die es zu überqueren galt.

Karlsruhe gefiel uns schließlich am besten, aber: Bodensee hieß schließlich das selbstgesteckte Ziel. Bis Stühlingen ging es noch weiter, dann verließ uns doch die Motivation. Die Jugendherberge war klein, nicht gerade luxuriös, aber doch ganz nett. Der Ort besaß eine nette Badeanstalt. Ein Tagesausflug zu den Rheinfällen von Schaffhausen wurde noch rasch geplant. Einsetzender Regen hielt uns aber leider von diesem Ereignis ab. Fit und munter ging es nach 1523 gefahrenen Kilometern, der abgeschraubte Tachometer beweißt es, per Bahn zurück nach Lingen. Alle Anstrengungen waren vergessen und wir um viele Erlebnisse reicher und so einige Kilogramm leichter.

Noch einmal sollten uns unsere Räder bis zum Bodensee führen, doch nicht einmal Stühlingen sollten wir erreichen. Eine Panne zwang uns müde Krieger, uns war es insgeheim doch ganz lieb, bereits in Karlsruhe zur Aufgabe der hochtrabenden Pläne. Und doch hinterließ auch diese Tour ihre Spuren.

Etwas leichter wollten wir es uns im darauffolgenden Jahre machen. Per Inter-Rail sollte es durch die deutschen Lande gehen. Der nächtliche D-Zug nach München sollte unser zweites Zuhause werden. Die schon bekannten Lebensmittel ( Brötchen, Schokolade und Würstchen ) vertilgten wir häufig am Hauptbahnhof der bajuwarischen Hauptstadt. Kreuz und quer ging es durch die Republik. Garmisch-Patenkirchen, Hamburg (zwei Emsländer Halbstarke zum ersten Mal auf der Reeperbahn), Sylt und noch manch weitere Stadt wurden unsere zweite Heimat. Doch weniger anstrengend wurde es nicht unbedingt. Schließlich wollte das schwere Gepäck auch auf dem Rücken und diesmal zu Fuß zu den Jugendherbergen transportiert werden. Eine nicht immer ganz leichte Angelegenheit.

Eine nette Story gibt es noch zu berichten. Strategie. Ja, auf diesen Touren entwickelten wir unsere eigene Strategie. Problemstellung: Überfüllte Züge mit wenig Platz, aber Müdigkeit, die nur durch ein wenig Schlaf in möglichst liegender Körperhaltung bewältigt werden konnte. Lösung: Ein wenig Knoblauch, hartgekochte Eier und eine schöne Büchse Bier. Alle Fenster und Türen des Abteils möglichst schließen, egal bei welcher Temperatur. Ergenbis: Das Abteil gehörte zumeist uns. Und nach anschließender gründlicher Lüftung des Abteils konnten wir in unserer "Stinkestube" noch ein paar Stunden erholsamen Schlaf finden. Ich glaube, diese Strategie wenden wir beide nun nicht mehr an, wenn es heißt, in überfüllten Bahnen oder Flugzeugen zu reisen.

Es gäbe hier vielleicht noch mehr zu berichten, wenn nicht, ja wenn nicht eine weitere Person das Parkett betreten hätte. Unsere Anja betrat die Bühne und fortan ging es urlaubsmäßig in unterschiedliche Richtungen. Aber, wer weiß, wie weit dieser Bericht noch fortgeführt werden wird, wenn es in 50 Jahren heißt, Erinnerungen zur Goldenen Hochzeit von Anja und Carsten zu Papier oder besser in den Laptop zu bringen.