Was man vielleicht noch
über Carsten wissen sollte...

- besonders wenn man ihn heiratet!

Als Carsten am 30.Oktober 1971 das Neonlicht der Welt erblickte, befand er sich zu seinem Unglück leider nicht in Lingen, wie manch ein Leser jetzt denken mag. Nein, in einem kleinen Dorf, dessen Namen viele Lingener nur aus ihrem Personalausweis kennen und von dem alle andere Menschen nur wissen wollen, wie man das eigentlich schreibt, wurden damals die meisten "Lingener" geboren. Dieser Ort heißt übrigens Thuine. Man schreibt das wirklich so - allerdings sagt man Tüne dazu!

Über die ersten Jahre seiner Kindheit läßt sich einerseits naturgemäß wenig berichten und andererseits wurde der Autor dieses Textes erst drei Jahre nach Carsten - übrigens in Thuine - geboren. Und diesen authentischen Bericht möchte ich möglichst wenig auf Hörensagen aufbauen. Informanten zufolge, deren Ähnlichkeit mit unseren Eltern rein zufällig ist, soll Carsten allerdings die Zeit unter anderem genutzt haben, um festzustellen, daß Flugzeug nicht "Uleuch" heißt, während unsere Eltern lernen mußten, daß "Mapa Teita" so etwas bedeuten sollte, wie mit Mama und Papa spazieren zu gehen. Vielleicht war er aber auch nur der nächsten Rechtschreib- bzw. Sprachreform voraus. Besonders kreativ war seine Bezeichnung für Feuerwerk: "Rückwärtsmond!".

Seine spätere Berufsentscheidung wurde wahrscheinlich schon in der Kindheit beeinflußt. Zum Beispiel entschied sich früh, daß er nicht Maschinenbau studieren würde: Als wir 1974 in unser Haus in der Sachsenstraße einzogen, brachte er sich jedesmal vor lauter Angst in Deckung, sobald jemand mit einer Bohrmaschine ein Loch in die Wand bohren wollte. Er erfand daraufhin das geräuschlose Bohren, bei dem man mit einem Schraubenzieher möglichst in frisch verputzte und tapezierte Wände große Löcher bohrt. Er zeigte als eitler Wissenschaftler die Erfindung aber erst unseren Eltern, nachdem er sie unzählige Male getestet hatte. Dies war seiner Erfindung wenig förderlich.

Seine Ambitionen als Architekt oder Bauingenieur fanden auch ein jähes Ende, als er unseren Eltern bewies, daß man mit Wachsmalkreide Klinkerfassaden nachträglich noch einmal verfugen kann. Das einheitliche Mörtelgrau wurde dabei so richtig schön bunt!

Später wurde Carsten dann seinem Alter entsprechend im Jahre 1978 in Lingen eingeschult, was unserem Haus vielleicht nicht ganz ungelegen kam! So konnte er seinen Tatendrang nun im Unterricht unter Beweis stellen, was ihm auch sehr gut gelang. Spätestens in der Orientierungsstufe bekam er in seiner Klasse jedoch auch Kontakt mit sehr merkwürdigen Menschen. Diese beeinflußten das Image der Klasse soweit, daß kaum ein Lehrer die Klasse haben wollte, geschweige denn eine Klassenfahrt damit unternehmen wollte. Damals wurde, soweit ich mich erinnern kann, auch die Grundlage dafür gelegt, daß Carsten auf ursprünglich eher harmlose und unschuldige Winterjacken Iron-Maiden-Sticker nähen ließ. Dies sollte wohl der Jacke - und auch ihm(?) - ein knallhartes Erscheinungsbild verleihen. Ob es gelang, darüber kann man streiten. Auf der anderen Seite der Jacke befand sich nämlich ein HSV-Sticker, was später bei Passanten auch zu einem milden Lächeln hätte führen können.

Nachdem er die Zeit auf der Orientierungsstufe, deren pädagogischer Nutzen wohl so hoch war die Siege des HSV gegen Ende der Achtziger - also eher gering - irgendwie herumgekriegt hatte, kam er dann auf ein sonderbares Gymnasium, das unter Insidern auch "Nonnenbunker" genannt wird. Die Schule wird nämlich von Schwestern (Pinguine) geführt und steht unter kirchlicher Trägerschaft. Dort fühlte er sich aufgrund anfänglicher Schwierigkeiten erst fehl am Platze. Es stellte sich jedoch später heraus, daß seine Sorgen unnötig waren. Die Defizite, die die Orientierungsstufe ihm beschert hatte gegenüber Schülern, die seit Klasse fünf auf dem Gymnasium waren, konnte er überwinden.

Weniger leicht zu überwinden waren damals platte Reifen an seinem Fahrrad. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Carsten früher Fahrradreifen flickte. Wenn er ein Loch im Reifen gefunden hatte, reparierte er es und baute den Reifen auf der Stelle wieder ein. Das Problem war vielleicht, daß er beim Ein- und Ausbauen neue Löcher schuf. Dies führte dazu, daß er ganze Tage seiner Jugend mit dem Flicken von Fahrradreifen verbringen konnte (Anmerkung: Vielleicht war es ganz gut, daß sein Fahrrad hin und wieder Zwangspausen einlegen mußte: So konnte er wenigstens nicht halb so viele Fahrradunfälle verursachen wie sein kleiner Bruder.). Irgendwann ging er aber dazu über, kleinere Probleme, wie z.B. verstellte Dynamos oder Fahrradlampen während der Fahrt zu beheben. Das beanspruchte aber seine volle Aufmerksamkeit, so daß er schon mal mit einem geparkten Auto zusammenstieß. Für den verursachten Schaden hätte er sich auch ein paar neue Fahrräder zulegen können.

Dann kam der Tag, an dem der erste Computer in das Leben des heutigen Informatikers trat! Dies war vielleicht richtungsweisend für seine spätere Berufswahl. Der Computer war übrigens ein Commodore Amiga 500, falls so etwas noch jemand kennt. Er entstammte aus heutiger Sicht quasi der Steinzeit, auch wenn er nicht mehr mit Lochkarten gefüttert wurde. Damals mußte man nachträgliche Speichererweiterungen noch mit Schaltern aus einem Elektronik-Shop versehen, um sie notfalls auch abschalten zu können. Schließlich war nicht jedes Programm der Speicherflut von einem MB RAM-Speicher gewachsen! Festplatten gab es damals noch nicht, aber immerhin war der 500er der erste Commodore-Computer, der nicht mehr mit einem Cassettenrekorder (auch Datasette oder so ähnlich genannt) betrieben werden konnte. Allerdings konnte man den Computer schon zum Programmieren verwenden, was Carsten später auch reichlich ausprobierte. Aber erst einmal wurde natürlich fleißig damit gespielt. Der Computer hinterließ übrigens schon am ersten Tag einen bleibenden Eindruck. Bereits Heiligabend - der Tag, an dem wir den Computer geschenkt bekamen - machte er nach wenigen Minuten schlapp. Nichts ging mehr! Kein Bild, einfach nichts. Daraufhin schalteten wir den Computer eifrig an und aus, so als wollten wir ihn damit wiederbeleben und lasen dann kurze Zeit später in der Bedienungsanleitung, daß man den Computer auf keinen Fall in kurzen Abständen an und aus schalten darf, da er sonst irreparable Schäden bekommt. Man kann sich sicher gut vorstellen, wie bei uns am Heiligabend die Stimmung war, nachdem wir dachten, wir hätten nach nur 5 Minuten unseren nagelneuen Computer ins Jenseits befördert! Zum Glück stellte unser Onkel Wolfgang dann noch schnell genug fest, daß nur die Sicherung im Netzteil kaputt war und rettete damit das Weihnachtsfest.

Aber kommen wir nun zu dem Grund, warum wir hier heute eigentlich sitzen - schließlich braucht man ja einen Grund zum Feiern. Viel wichtiger nämlich als Carstens erster Computer war natürlich seine erste Freundin, die gleichzeitig auch seine letzte bleiben sollte. Als Carsten in die elfte Klasse versetzt wurde, wurden am Franziskusgymnasium die Klassen neu gemischt. Und wie der Zufall es wollte, kamen Carsten und Anja in die gleiche Klasse. Die Sitzordnung in der Klasse wurde übrigens - man höre und staune - per Los entschieden! Scheinbar wollten die Lehrer damals gewisse Plaudertaschen nicht nebeneinander sitzen haben. Und wieder half der Zufall etwas nach, indem er dafür sorgte, das Carsten und Anja nebeneinander sitzen sollten. Carsten wähnte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch vom Losglück verlassen, da seine besten Freunde nicht mehr neben ihm saßen. Und so brachte er seinen Unmut zum Ausdruck, indem er für Neuwahlen plädierte. Doch während er noch mit seinem Schicksal haderte, entfuhr Anja - die wohl schon länger ein Auge auf ihn geworfen hatte - blitzschnell ein klares "Nein!". Keine Neuwahlen! Das Los hatte entschieden.

Von nun an dauerte es nicht mehr lange bis zu dem Tag, an dem ich das Zimmer meines Bruders betrat und dort unvermittelt Anja vor mir stand. Man kann sich leicht vorstellen, daß ich meinen Bruder von da an seltener zu Gesicht bekam. Schließlich mußte man neuerdings anklopfen, wenn Anja da war. Das junge Glück währte jedoch erst einmal nur ein paar Monate, bis atmosphärische Störungen eintraten und die beiden sich kurz trennten. Als Carsten dann am 30.10.1989 achtzehn wurde, kam auch Anja zu seinem Geburtstag und bereits ein paar Tage später war das Glück wieder perfekt, nachdem Anja erneut die Initiative ergriffen hatte.

Im Sommer 1991 machte Carsten dann sein Abitur und direkt danach fing er sein Informatikstudium in Oldenburg an. Doch eines Tages flatterte von einem Reiseveranstalter - "Y-Reisen" oder auch Bundeswehr genannt - eine freundliche aber bestimmte Einladung für einen bezahlten Urlaub ins Haus. Die nahm er dann auch an, um in Delmenhorst in die Geheimnisse des Versteckspielens im Wald eingeweiht zu werden. Das Versteckspielen war auf Dauer wohl ein bißchen öde und der Wald hatte es ihm dann doch nicht so angetan. Also wechselte er nach der Grundausbildung zu einem gemütlichen Posten im Innendienst der Kaserne in Oldenburg. Nach seinem Wehrdienst nahm er dann das Studium wieder auf.

Wie sich herausstellte, verbrachte er genug Zeit mit dem Studium, denn er kam gut voran. Aber hin und wieder kamen seinem kleinen Bruder von Carstens Kommilitonen Geschichten zu Ohren, die belegen, daß er auch dem feuchtfröhlichen Teil des Studentenlebens sehr viel abzugewinnen wußte. In den Geschichten war von plötzlich hoch klappenden Bürgersteigen und nicht mehr zu bändigenden Fahrrädern die Rede. Aber diese wilden Zeiten sind natürlich längst vorbei, denn man wird ja auch reifer. Die Gefahr von Rückfällen besteht offenbar aber noch, besonders wenn Carsten auf Carsten trifft und es zu nicht mehr enden wollenden Weinverkostungsabenden kommt. Im Anschluß daran kann man ja auch noch prima um halb sechs morgens(!) bei einem guten Bekannten klingeln, um mal Hallo zu sagen. Der Wein hat es Carsten jedenfalls seit einiger Zeit angetan - muß wohl an der Verwandtschaft liegen. Daß die Wahl beim Autokauf auf einen Kombi fiel hat übrigens weniger mit Nachwuchsplänen zu tun, sondern hängt damit zusammen, daß man mit einem Kombi so schön Weinkisten transportieren kann, egal ob von der Mosel oder aus der Toskana.

Das bislang wohl wichtigste Ereignis in Carstens Leben feiern wir heute, so daß ich damit schließen möchte. Nachdem das Brautpaar nun ungefähr zehn Jahre in wilder Ehe gelebt hat, hat es sich heute hoffentlich das Jawort gegeben (stand zum Redaktionsschluß noch nicht fest!). Also viel Spaß beim Feiern!